COMIRNATY-EY2172






















Als am 27.01.2020 der erste mit SARS-CoV-2 infizierte Mensch in Deutschland registriert wurde, haben nur die wenigsten geahnt, welche Auswirkungen das Virus auch in Deutschland haben wird. Die Gesellschaft ist Mitte März 2020 mit dem ersten Shutdown in Deutschland in eine Parallel-Welt eingetreten. Das Leben wurde ein anderes. Das selbstverständliche Treffen von Freunden, Familie und Kollegen war nur noch unter Einhaltung von neuen Regeln oder virtuell möglich. Diese Regeln zielen auf Distanz ab. Sie wollen Abstand wo vorher Nähe war.
Mit der Entwicklung von Impfstoffen Ende 2020 wurden Test- und Impfzentren in Deutschland zu Orten die eine Rückkehr in eine „Normalität“ versprechen. In einer für Deutschland ungewohnten Mischung aus Improvisation und Ordnung entstand eine neue temporäre Architektur. Bestehende Architektur wurde umgebaut und umgenutzt. Zweckbauten wurden zu Sehnsuchtsorten.
In meiner Arbeit werden die verschiedenen Test- und Impfzentren zu einem utopischen Ort. Comirnaty-EY2172. Ein fernes Land, eine bessere Welt.
Diese Arbeit wurde gefördert mit einem Künstler-Stipendium des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen.
"Wir erinnern uns, das war der Impfstoff, der gute, made in Mainz, der Leben gerettet, Angst genommen und die Stadt reich gemacht hat.
Du zeichnest mit deinen Aufnahmen von Impfzentren und Testzentren das Bild eines ebenso utopischen Ortes wie dystopischen, zu finden irgendwo in einer anderen Welt. Wenn du fotografiert hast, warst du außerplanmäßig da - vor allen anderen oder nach allen anderen. Sicher schwierig zu organisieren.
Was machen deine Bilder mit uns, die improvisierten Containerdörfer, die langen Reihen von Kabinen in großen Hallen? Kabel hängen von der Decke, leere Stühle stehen auf Abstand, dicke Schläuche bringen virenfreie Luft. Klebebandpfeile auf dem Boden verhindern Begegnung.
Es war die Angst, die uns dazu gebracht hat, immer mehr Regeln zu folgen, als wir es gewohnt sind. Plötzlich hatten wir alle etwas gemeinsam, waren Flüchtlinge im eigenen Land.
Was du hier zeigst, sagt aber auch: Wir haben das im Griff, jeder Ablauf ist geplant, es ist sicher.
Und gleichzeitig ist das, was Hoffnung gegeben hat, so furchtbar gefühllos. Reine, maximale Funktion. Ändert das purpurfarbene Licht, das auf die Container fällt, etwas daran? Die Fototapete mit dem Karibikmotiv bringt maximale Verwirrung. Wir wollten, dass es temporär ist, dass es vorbeigeht. Danach räumen wir alles wieder weg, stellen die gewohnte Ordnung wieder her.
Was Architektur ist, erklären deine Bilder mit der Abwesenheit von Architektur."
Text von Uta Winterhager anlässlich der Ausstellung AnAbwesenheit in der Stiftung für Kunst und Baukultur Findeisen in Köln.